Ich bin heute morgen über einen Artikel in der Wirtschaftswoche gestolpert. Jacqueline Goebel berichtet hier von steigenden Weinpreisen als Chance und Problem für die Weinbranche und den Durschnittskunden.
So schreibt sie:
Der Liv-ex Fine Wine 1000, ein Preisindex für die besten Weine der Welt, lag Ende April schon 8,60 Prozent höher als im Vorjahr – und sogar über 50 Prozent höher als noch im Jahr 2017.
Und fragt daher:
Wann darf es beim Preis ein bisschen mehr sein? Und wann ist zu viel einfach zu viel?
Tim Raue berichtet sogar von Preissteigerungen um 15 % auf seiner exklusiven Weinkarte.
Das ist natürlich ein Problem. 50 % Index-Preissteigerung mit stetig zunehmender Steigung ist selbst für hartgesottene Kollegen mit gutem Weinkeller ein Thema. Aber von was sprechen wir hier? Der Durchschnittsdeutsche zahlt - je nach Quelle - irgendetwas zwischen 2,80 € und 3,60 € pro Flasche Wein. Ist das jetzt wirklich schon ein Drama? Und trifft es hier wirklich den Durchschnittstrinker? Warum steigt der Preis überhaupt?
Ich denke hierfür gibt es viele Faktoren. Natürlich ist die grassierende allgemeine Inflation ein Thema (was der ein oder andere Ökonom *hust* Fratzscher und Flassbeck *hust* ja nicht so recht sehen möchte) . Aber es ist eben auch so, dass Wein immer mehr Lifestylethema wird. Weinpodcasts schießen aus dem Boden, Pitt und Jolies Miraval wird in Rap-Songs besungen. Es gibt immer mehr Pappnasen wie mich, die das Thema für sich erschließen wollen und Yuppies mit Schnauzer trinken Kabi, Naturwein, „grippige Weine“ und Petnat.
Das verstärkt natürlich den Preisdruck auf die berühmten Weingüter und Regionen. Dazu kommen Ernteausfälle im Burgund. Waldbrände in Kalifornien. CO2-Diskussionen beim Konsumieren australischer und südafrikanischer Spitzenweine. Ein Premier-Cru aus der Bourgogne ist bei angesagten Weingütern kaum noch unter 250 € zu haben.
Das Grundproblem aber - und hier zitiere ich mich mal selbst:
Alle saufen das Gleiche
Viele Instagramaccounts und auf dicke Hose machenden trinken halt was der Zahnarztnachbar auch so trinkt. Die gleichen Brands (in Hype-Zyklen), den gleichen Stil, die gleichen Themen. Super-Toskaner wie Tignanello, reduktiver Chardonnay aus dem Jura, biodynamischer Anbau. Mich persönlich langweilt das.
Und ja, natürlich - will ich großen Napa-Valley Rotwein trinken oder zwingend den heißest begehrten Rousseau Pinot verkosten, werde ich einige Flocken los. Da sind wir ganz schnell jenseits der 400 € pro Flasche. Aber es gibt eben auch große Weine aus dem Rousillon oder Languedoc, aus Kastilien, aus der Pfalz. Von Erzeugern die nicht jeder auf dem Schirm hat. Und da sind wir eben häufig in ganz entspannten Sphären unterwegs. Jenseits der 3,60 € ist man da, klar.
So wie mit diesem großartigen Saint Chinian aus dem Chateau Viranel für inflationär-immer-noch-bezahlbare 13,60 € aus dem Languedoc. Ein GSMC-Blend (REBSORTE(N): 40% Syrah, Grenache 40% 10% Mourvèdre, 10 % Carignan). Getrunken im Fritz&Felix im Brenners Parkhotel in Baden-Baden. Der Wein duftet nach schwarzer Kirsche, Floralen Tönen und Tabak. Er hat eine frische Säure, starke, aber kompakte Tannine und einen tollen Abgang.
91/100
Den trinkt zwar mein Zahnarzt nicht, aber das ist ganz weit weg von langweilig. An dieser Stelle ist Inflation daher definitiv kein Problem für mich.
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